Historisches

Kirche zu Neuenkirchen i. Oldenburg

Ober-Bauinspektor L. Wege in „Bauwissenschaftliche Mittheilungen“ (1890)

Sonder-Abdruck aus der Zeitschrift des Architekten- und Ingenieur-Vereins zu Hannover,

Bd. xxxvii, Jahrg. 1891, Heft 3)

 

Der Ort Neuenkirchen mit 400 evangelischen und 1150 katholischen Einwohnern besitzt eine aus dem 14. Jahrhundert stammende, dem heiligen Bonifacius geweihte Kirche, welche zu Anfang des 17. Jahrhunderts protestantisch war und während der Wirren des dreißigjährigen Krieges abwechselnd, je nach dem augenblicklichen Uebergewichte der streitenden Parteien, im Besitze der Katholiken oder der Protestanten sich befand. Im westfälischen Frieden wurden die kirchlichen Verhältnisse im Hochstifte Osnabrück neu geordnet, 6 Klöster und 28 Pastorate den Katholiken und 18 Pastorate den Protestanten überwiesen, während in Neuenkirchen und mehreren anderen kleineren benachbarten Gemeinden mit gemischter Bevölkerung sog. Simultaneen eingerichtet wurden. Nach der im Jahre 1651 geschlossenen Uebereinkunft über die Benutzung der Kirche und des Kirchhofes wurden den Katholiken der  hohe Altar, ein alter Taufstein, die  halbe  Sakristei mit den vorhandenen  Kirchenbüchern sowie ein Nebenaltar überwiesen, während für die Protestanten ein  kleiner Altar in der Mitte vor dem Chore errichtet wurde. Dieser Altar ist mit einem Deckel versehen, der während des protestantischen Gottesdienstes aufgeklappt wird, so dass ein Bild, das heilige Abendmahl darstellend, sichtbar ist, welches zugleich die Aussicht auf den dahinter liegenden katholischen Altar verdeckt.

Kanzel,Glocken und Orgel der Kirche, sowie der Friedhof verblieben gemeinschaftliches Eigenthum der beiden Gemeinden, und über die Abhaltung des Gottesdienstes in der Kirche wurde vereinbart, dass die Kirche an Sonn- und Werktagen von Morgens 9 bis 12 Uhr und Nachmittags von 1 bis 3 Uhr den Protestanten zur alleinigen Benutzung eingeräumt sei, die übrige Zeit aber den Katholiken gehöre.

Dies Jahrhunderte lang bestehende Gemeinschaftlichkeits-Verhältnis hat den kirchlichen Frieden der Einwohner nicht gestört, und nur das beiderseitige Gebundensein an bestimmte Tagesstunden zur Abhaltung des Gottesdienstes veranlasste die beiden Gemeinden, im Jahre 1888 einen Vertrag zu schließen, nach welchem die evangelische Gemeinde allen ihren Rechten auf die gemeinschaftliche Kirche nebst Kirchhof entsagte, gegen Theilung des vorhandenen Kirchenvermögens, eine Entschädigung von 30 000 M zur Erbauung einer neuen Kirche, die Ueberlassung eines geeigneten Bauplatzes für dieselbe, sowie gemeinschaftliche Leistung aller zu dem Neubau erforderlichen Fuhren.

 

   Als  Bauplatz (s. d. Lageplan auf Bl. 21, Fig. 4) für die neue Kirche wurde ein in der Nähe der evangelischen Pastorei belegener, in Westen und Osten von Straßen begrenzter Garten erworben. Die Errichtung einer langgestreckten Kirche hätte den vorhandenen Platz zwischen den beiden Verkehrsstraßen fast vollständig in Anspruch genommen, erschien daher nicht räthlich; vielmehr wurde es als wünschenswerth bezeichnet, das Bauwerk so zu gestalten, dass zwischen demselben und den Verkehrsstraßen noch angemessene freie Plätze verblieben, wodurch die Anlage einer Kreuzkirche bedingt wurde.

 

   Die Kirche enthält im Schiffe (s. Fig. 1) 288 Plätze für Erwachsene, auf der Orgelempore noch 36 Plätze für die Schuljugend. Bei Feststellung dieser großen Anzahl Plätze für die Gemeinde mit nur 400 Seelen ist berücksichtigt, dass die Mitglieder der kleinen evangelischen Gemeinde Fladderlohausen, welche nach einer weit entfernt liegenden Kirche eingepfarrt sind, aber die näher belegene Kirche zu Neuenkirchen besuchen, auch in Zukunft in der neuen Kirche Platz finden können.

   Der Haupteingang führt durch den Thurm an der Westseite, und für die von der Ostseite kommenden Kirchenbesucher ist ein Nebeneingang im nördlichen Kreuzschiffe, vorhanden. Die Treppe an der Südseite des Thurmes dient als Zugang für die Orgelempore und zugleich auch für die in der Höhe des Traufgesimses belegene Glockenstube, in welcher der schmiedeeiserne Glockenstuhl für die zusammen 1600kg wiegenden 3 Glocken sich bis zur mittleren Höhe der Schallöffnungen erhebt.

 

   Die sämmtlichen Mauern der Kirche sind aus gelblichweißen lagerhaften Bruchsteinen aus Ueffeln in Kalkmörtel aufgeführt, Gesimse, Abdeckungen, Maßwerke Gewölberippen und Konsolen aus weißem Ibbenbürener Sandstein hergestellt, Gurt- und Schildbögen in Backsteinen, die Gewölbe aus leichten Schwemmsteinen aufgeführt. Das Dach der Kirche ist mit graugedämpften Hohlpfannen, der Thurm  und die Sakristei sind mit englischem Schiefer auf Schalung eingedeckt. Für die  Fenster  im Langschiff ist einfache rautenförmige Bleiverglasung mit mattgrünem Glase vorgesehen. Für die zwei großen Fenster  des Kreuzschiffs sind von  Seiner Königlichen  Hoheit dem Großherzoge reiche Glasmalereien mit bildlichen Darstellungen geschenkt und die 5 Chorfenster werden ebenfalls Malereien in gemusterter Ausführung  -  ein Geschenk der früher in Neuenkirchen ansässigen Familie Meyer  -  erhalten. Die Erwärmung der Kirche nebst Sakristei soll durch Füllöfen geschehen, und es sind die dazu erforderlichen Rauchröhren in Mauern des Kreuzschiffes angelegt.

 

   Bei der freien Lage der Kirche und der großen Zunahme der Blitzschläge in dem Oldenburger Lande wurde die Anlage von Blitzableitern erforderlich (s. 1887, S. 198) und eine Fangstange auf der Thurmspitze, eine zweite auf der Bekrönung des Chordaches angebracht. Auf den von dem Verfasser in den letzten Jahren erbauten Thürmen wurden die Blitzableiter in folgender Weise hergestellt: Man versah die eiserne Stange der Bekrönung oben mit einer Kupferspitze mit Platinhülse, löthete unterhalb des beweglichen Hahnes den kupfernen Leitungsdraht an die eiserne Helmstange und befestigte ihn noch weiter mit Klemmschrauben; dann wurde der Draht bis zum Grundwasserstande des Erdbodens geführt und mit einer kupfernen Platte versehen.

  Diese Anordnung, bei welcher das Anlöthen und Befestigen der Drähte auf dem Thurme selbst vorgenommen wurde, erfüllt ihren Zweck nur so lange, als ein fester Zusammenhang zwischen der Stange und der angelötheten Leitung besteht (s. 1887, S. 320); wird diese Verbindung durch das Schwanken des Thurmes oder sonstige Veranlassung gelockert und bildet sich an der Löthstelle Rost, so wird die Leitung unbrauchbar und kann nur mit großen Kosten wieder in Stand gesetzt werden.

   Bei einzelnen in hiesiger Gegend ausgeführten Anlagen auf Thürmen mit drehbaren Hähnen sind die Schwierigkeiten, die sich bei Anbringung der Drähte boten, einfach dadurch umgangen, dass neben der Stange des Thurmes noch eine zweite Stange angebracht wurde (s. Fig. 9), an der die Auffangspitze und der Leitungsdraht befestigt sind. Diese Herstellungsart ist leistungsfähig, bietet aber einen so unschönen Anblick, dass sie als nachahmenswerth nicht bezeichnet werden kann.

 

   Bei dem in Frage stehenden Thurme ist eine neue Anordnung zur Ausführung gelangt (s. Fig. 8): Auf den oberen Theil der Bekrönung ist eine starke kupferne Spitze mit Platinhülse aufgeschroben und in dieser das aus 12 Drähten bestehende Kupferseil von 1cm Durchmesser befestigt.

  Die runde eiserne Helmstange enthält von der Spitze bis unterhalb des spielenden Hahns eine eingehobelte halbkreisförmige Nuth; in diese legt man das Kupferseil ein und füllt den übrigen Raum mit Löthzinn aus, so dass die Stange den kreisförmigen Querschnitt wieder erhält und der Hahn auf den angebrachten Führungen sich frei bewegen kann. Die Nuth verläuft unterhalb des Hahnes, und der freiliegende Draht wird  an  der Stange und dem Knaufe in geeigneter Weise befestigt und dann bis zum Erdboden geführt.

  Diese Anordnung bietet, neben der leistungsfähigen ununterbrochenen Kupferleitung von der Auffangspitze bis zum Erdboden, noch den weiteren Vortheil, dass die ganze Leitung in der Werkstatt vollständig fertig hergestellt und geprüft werden kann und Beschädigungen an derselben fast ausgeschlossen sind.

 

   Die Baukosten  der Kirche mit Altar, Kanzel, Orgelgehäuse und Gestühl aus Eichenholz, nebst der Kirchhofsmauer mit eisernem Gitter an den beiden Straßen### im Osten und Westen werden 41 500 M, die für Orgel und Glocken 12 500 M betragen, die Anfuhr der Baumaterialien ist zu veranschlagen auf 12 000 M, so dass sich eine Gesammt-Bausumme von 66 000 M ergeben wird.

 

   Der Bau ist im März 1890 begonnen, im November im Rohbau vollendet worden und wird voraussichtlich am 1. Mai 1891 seiner Bestimmung übergeben werden können.

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