Der Spender Joseph Nurre

Der Spender Joseph Nurre

(von Thomas Krause)

Das Ende der Gemeinsamkeit – Erfolgreiche Trennung

Bereits 1885 ging ein Gerücht durch Neuenkirchen, das auch von der Vechtaer Zeitung aufgeschnappt und sogleich dem geneigten Leser präsentiert wurde:

„Hier geht das Gerede, daß ein aus Neuenkirchen gebürtiger, in Cincinnati wohnhafter reicher Amerikaner zum Bau einer neuen Kirche in Neuenkirchen und zur Vergrößerung der Dammer Kirche das nöthige Geld schenken wolle. Das Gerücht ist jedenfalls übertrieben, doch soll es nicht ganz und gar unbegründet sein. Die Nachricht hat hier sehr angenehm berührt und aufgeregt, zumal hier gerade jetzt Viele die Vergrößerung der Kirche durch einen Anbau an die alte Kirche, die unversehrt bleiben soll, mittels freiwilliger Beiträge dringend wünschen.“1

Mag dieses Gerücht für die Katholiken schon gut geklungen haben, mussten sie doch noch einmal zwei Jahre warten, bis dieselbe Zeitung die Nachricht überbringen konnte, dass „augenblicklich Schritte gethan werden bezw. gethan sind, um sich friedlich auseinander zu setzen, so daß jede Confession ihre eigene Kirche bekommt“2. Und tatsächlich hatten zuvor die Katholiken erneut einen Versuch gestartet, das in ihren Augen bedrückende Simultaneum zu beseitigen. Am 6. Juni des Jahres ging ein Schreiben des amtierenden evangelischen Geistlichen Bultmann beim Oberkirchenrat ein, in dem er die Ergebnisse einer zuvor abgehaltenen Gemeinderatssitzung präsentierte. In dieser äußerten die katholischen Mitglieder zum wiederholten Male ihre Wünsche: Erstens wollten sie nicht mehr bereits um halb elf die Kirche räumen müssen, zweitens wolle man den Kirchhof und die Kirche nach katholischen Anschauungen gestalten3 und zuletzt sei man nicht mehr bereit einen großen Teil der Kosten des evangelischen Kirchenrats zu tragen.4

Interessant ist der zweite Punkt, denn hier machten die katholische Gemeindemitglieder erneut darauf aufmerksam, dass die Simultankirche einer geregelten katholischen Religionsausübung im Wege stand, was darauf hindeutet, dass auch gegen Ende des 19. Jahrhunderts zumindest in dieser Region noch Wert auf einen geregelten Vollzug der Religion gelegt wurde, was auch eine Abgrenzung zu den Protestanten impliziert. Dieser Wunsch zog sich durch das gesamte 19. Jahrhundert und war nun nichts Neues in der Diskussion um das Simultaneum. War es insofern sinnvoll, erneut einen Versuch zu starten, obwohl bisher alle Unternehmungen gescheitert waren? Diese Frage muss eindeutig bejaht werden, denn die Katholiken hatten diesmal einen Trumpf im Ärmel. Man teilte nämlich der evangelischen Gemeinde im Vertrauen mit, dass sich ein früheres Mitglied der Gemeinde, welches nach Amerika ausgewandert war, bereit erklärt hatte, eine nicht unerhebliche Summe zu stiften, falls man sich auf eine Trennung einigte. Deswegen wolle die katholische Gemeinde den Protestanten ein neues Angebot machen. Neben dem Zugeständnis, das Kirchenvermögen hälftig zu teilen, sei man bereit, der evangelischen Gemeinde eine neue Kirche zu bauen. Diese solle ihren Bedürfnissen entsprechen und auch einen Turm, Glocken, Orgel und anderes Zubehör erhalten.5 Aufgrund dieses Angebotes begannen schließlich Verhandlungen, die sich bis Ende 1888 hinzogen. Am 7. Dezember des Jahres konnte schließlich eine Vereinbarung unterzeichnet werden, die das Ende des Simultankirchenverhältnisses besiegelte. Das überlieferte Protokoll der Sitzung6 verzeichnete allerdings, dass zwei evangelische Mitglieder des evangelischen Kirchenrats – die Kolonen Erdbrügge und Schneidhorst – nicht unterschrieben hatten. Zwar hatten sie nicht offen protestiert oder widersprochen,7 dennoch zeugt ihr Verhalten von einer nicht allgemein zustimmenden Haltung der Evangelischen. Sicher war hier Misstrauen im Spiel, konnte man sich doch nicht sicher sein, ob man die später erbaute Kirche auch unterhalten konnte, obwohl die Bedingungen, unter denen das Ende dieses beinahe 250 Jahre andauernden Verhältnisses beendet wurde, der evangelischen Seite sehr entgegen kamen.

Im Übereinkommen8 wurden folgende Dinge vereinbart: Neben der Aufhebung der Institution wurde die bisher simultan genutzte Kirche nebst Kirchhof alleiniges Eigen-tum der katholischen Gemeinde. Die Pastorate und Küstereien wurden der jeweiligen Gemeinschaft als Eigentum übertragen. Das restliche „Immobiliarvermögen“ stand den beiden Gemeinden „zur ideellen Hälfte“ zu und sollte später einer „Realtheilung“ unterzogen werden, ebenso wurde das Kapitalvermögen mit sofortiger Wirkung zwischen Katholiken und Protestanten aufgeteilt.9 Für die Protestanten wichtig war schließlich der sechste Artikel der Vereinbarung, denn in diesem wurde vermerkt, was die Katholiken zwecks „Erbauung und Ausrüstung einer evangelischen Kirche nebst Kirchhof stellen“ mussten. Dies war neben dem Bauplatz (alternativ 3000 Mark) eine Summe von 30.000 Mark, deren Überweisung mit dem Bau der evangelischen Kirche begann:

„Die Auszahlung des Kapitals erfolgt je nachdem Bedürfnis der Verwendung für die Zwecke des Kirchenbaus; der Rest spätestens an dem Tage, an welchem die jetzt gemeinschaftlich benutzte Kirche der katholischen Gemeinde seitens der evangelischen Gemeinde zum ausschließlichen Gebrauch eingeräumt wird.“

Zusätzlich zahlten die Katholiken 1.500 Mark in einen Erneuerungsfonds, der zur In-standhaltung der evangelischen Gebäude diente. Im siebten Artikel wurde schließlich der 1. Mai 1891 als das Datum bestimmt, an dem die alte Kirche den Katholiken übergeben werden sollte. Dann musste auch die neue evangelische Kirche im Ort fertiggestellt sein,

„sollte letztere am 1. Mai 1891 nicht vollendet sein, so dauert das Gemeinschaftlichkeitsverhältniß hinsichtlich des Gebrauchs und der Unterhaltung der jetzigen Simultankirche, jedoch längstens bis zum 1. Mai 1892 fort und haben die Evangelischen spätestens an diesem Tage die bisherige Kirche zu räumen.“

Durch die Übernahme der Kosten für den Kirchenneubau, der Stiftung eines Renovierungsfonds und die paritätische Aufteilung des Kirchenvermögens kamen die Katholiken den Protestanten sehr weit entgegen. Dafür erhielten sie die – ihrer Meinung nach immer katholisch gewesene – Kirche für sich, brauchten sich nicht mehr um die Nutzungszeiten kümmern und auch die Übernahme von Kosten für die evangelische Gemeinde wurde hinfällig. Gemeinsam wurden dagegen weitere Baukosten übernommen:

„Die Fuhren zur Herbeischaffung des Baumaterials an Steinen, Holz, Sand, Kalk, Cement und so weiter zum Bau der Kirche, zur Anlage des Kirchhofs und zur Einfassung desselben mit einer Mauer, soweit derselbe an öffentlicher Straße liegt, übernimmt die Gemeinde.“

Zum Abschluss wurde noch verfügt, dass ein gemeinsamer Trennungsausschuss einberufen werden sollte, der sich um die „nähere Ausführung dieses Uebereinkommens“ kümmern sollte. Dazu zählten unter anderem die Teilung des Kapitals und die Terminregelung zur Überweisung des Geldes seitens der Katholiken. Auch im Falle „entstehende[r] Zweifel der Auslegung“ sollte dieser Ausschuss entscheiden, „und zwar unter stimmberechtigter Mitwirkung der das Pfarramt beider Confessionen jeweilen bekleidenden Geistlichen und unter Leitung des Amtshauptmanns.“ Sollte es keine Einigung in diesem Ausschuss geben, so der zehnte und letzte Artikel des Vertrages, war ein Schiedsgericht vorgesehen, welches aus jeweils einem Vertreter des Offizialats, des Oberkirchenrats und des Staatsministeriums bestand. Doch anders als bei den vielen gescheiterten Anläufen in den Jahrzehnten zuvor gelang die Trennung, so dass im April 1889 in der nicht ganz unparteiischen, weil katholisch orientierten Vechtaer Zeitung berichtet wurde:

„Die oberliche Genehmigung der Trennung der beiden Konfessionen ist neulich hier eingetroffen; kostet dieselbe auch die hiesigen Katholiken ein tüchtiges Stück Geld […] und muß auch noch später manches Opfer gebracht werden, um die jetzige alte Kirche würdig und geräumig genug herzustellen, so muß doch die Trennung für die Katholiken in soweit als ein Glück bezeichnet werden. […] In 3 Jahren müssen die Protestanten ihr eigenes Gotteshaus fertig haben und wird dann auch die sonstige Trennung, Pfarren und Schulen betreffend, perfect sein. Der größte Dank gebührt dem opferwilligen Herrn Nurre aus Amerika, einem Sohne hiesiger Gemeinde.“10

Zum Schluss dankt man also einem gewissen Joseph Nurre, der aus Neuenkirchen stammte und nach Amerika ausgewandert war. Entgegen der vielen Enttäuschungen, die manche auf der anderen Seite des Ozeans erlebten, hatte dieser Mann den amerikanischen Traum wahr gemacht und es zu einem gewissen Wohlstand gebracht. Somit konnte er der katholischen Gemeinde über die Hälfte des Geldes zur Verfügung stellen, welches sie den Evangelischen für den Bau einer neuen Kirche zahlen mussten:

„Ein früheres Glied ihrer Gemeinde, das nach Amerika ausgewandert und dort durch Handel mit Paramenten und anderem, was zur Ausstattung von Kirchen dient, reich geworden ist, hatte 15000 M. für den Zweck ausgesetzt, daß die von den Katholiken schon seit langem angestrebte Trennung des Simultaneums zu stande komme, und eine Schwester desselben hatte noch 2000 M. dazu gegeben.“11

Erst durch diese großzügige Spende konnte es der katholischen Gemeinde gelingen, das Gotteshaus für sich zu gewinnen, da nun ein Angebot möglich wurde, welches die Evangelischen kaum ablehnen konnten. Deswegen einigte man sich auch relativ schnell auf die weiteren Modalitäten. In diesem Zusammenhang sind die überlieferten Briefe Joseph Nurres, die dieser seinem Freund, dem katholischen Gemeindevorsteher Joseph Huesmann schickte, eine wertvolle Quelle.12 Abgesehen von den Schilderungen über das schwere Leben der Menschen im fernen Amerika informieren sie sehr gut über die Beweggründe des Emigranten, eine derart große Summe zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig erlauben sie den Blick in die Gedankenwelt eines einfachen gläubigen Katholiken und seiner Bewertung der Ereignisse in Neuenkirchen und vor allem der Protestanten. Deswegen sollen diese Briefe noch einmal etwas genauer unter die Lupe genommen werden.

 

Joseph Nurre und die Protestanten

Der Neuamerikaner Nurre war ein gläubiger Katholik und somit auch an einer raschen Trennung des Simultaneums interessiert. In seinen Briefen zeigt sich ein reges Interesse an den Verhandlungen mit den Lutheranern, wobei er zum einen immer wieder ein friedliches Auseinandergehen der beiden Gemeinden fordert, gleichwohl ein gewisses Misstrauen gegenüber der evangelischen Konfession pflegt. Am 16. November 1887 schrieb er beispielsweise seinem Freund:

„Was die Verhandlungen mit den Protestanten betrifft, so kann ich nicht viel derwegen sagen als was ich schon früher geschrieben habe, das, wenn es irgend wie möglich ist, so machet die Sache im Frieden miteinander aus, weil Ihr doch bei einander bleiben müsset, so ist es hernach ein sehr unangenehmes gefühl [!], wenn Ihr Euch im Unfrieden begegnet und auch sonst nachher wenn mit Zank und Streit geschlichtet wird.“13

Trotz der Differenzen der letzten Jahrzehnte wusste Nurre demnach nur zu gut, dass bei einer Kirchentrennung die Gemeinde weiterhin existierte und man weiter zusammen-leben musste. Zwar machte er auch den Vorschlag, den Großherzog einzuschalten, dies jedoch nur im Falle eines Scheiterns weiterer Verhandlungen. Eines stand aber auch für Nurre fest: die Simultankirche war eine katholische Kirche und die Protestanten nutzten diese zu Unrecht, was er in demselben Schreiben betont:

„[…] meiner Ansicht nach ist so viel gewiß, daß die Katholiken die Kirche gebaut haben, u. die Protestanten (welche, da ihre Vorfahren auch Katholisch waren) bei Luthers Zeiten abgefallen sind; haben sich dann eingenistet, u. die Katholiken waren zu der Zeit dumm genug daß sie es den Protestanten erlaubt haben die Kirche mit zu benutzen, das ist geschehen u. vorbei“

Und auch ein paar Jahre später – als die Protestanten ihre neue Kirche fast fertig gestellt hatten – blieb er bei dieser Feststellung: „Nun das ist gut, daß sie fortgehen werden u . Euch d. alte Kirche überlassen. Hätten die Protestanten damals wie sie anhänger [!] Luthers wurden, sich gleich eine Kirche gebaut, so wäre Euch die Mühe u. Unkosten erspart geblieben.“14 Die Kirche sei schließlich von den Katholiken erbaut worden, „schon vor Luthers Zeiten […] daß glaube ich so sicher als 2 mal 2, 4 macht“. Damit schloss er sich der Argumentation an, die schon in der Artikelreihe über die „Ecclesia pressa“ deutlich wurde, derzufolge die Kirche immer schon eine katholische war und die Protestanten sie ohne irgendeine Berechtigung nutzten. Deswegen sah Nurre es auch nicht ein, den Evangelischen weiter zu helfen, ihre Gebäude zu unterhalten und ihnen dazu noch eine Kirche zu bauen, was er bereits einige Monate zuvor klarstellte:

„Es wundert mich daß die reichen Bauern […] u. die andern Lutherischen sich nicht schämen u. den Katholiken zumuthen, daß die den Protestanten helfen sollen um Schule Pfarrhaus u. Kirche zu unterhalten; wenn man daß [!] hier in Amerika verlangen würde, so würde man glauben sie wären nicht recht bei verstande [!]. Wenn ihnen der Lutherische Glaube […] nicht so viel werth ist, dann lassen sie denselben besser an den Nagel hängen u. werden Katholisch. Was Gemeinde Sachen sind als Wege u. Brücken, d. gebrauchen alle, u. so sind alle auch zur Unterhaltung derselben verpflichtet, allein was Glaubens=Sachen sind, da sollten sie sich doch schämen um Unterstützung von den Katholiken zu verlangen, denn die haben ja nicht den geringsten Nutzen vom Lutherischen Pfarrer, Schule oder Kirche, zudem sind die nicht arm sondern die reichsten in der Gemeinde.“15

Insofern stellte sich der Auswanderer auf den Standpunkt der Katholiken vor Ort, indem er eine Trennung der Kirchenkassen forderte. Gleichzeitig betonte er die Notwendigkeit eines guten Zusammenlebens der Menschen im Ort außerhalb der kirchlichen An-gelegenheiten. Trotz aller Polemik gegen die Evangelischen sah Nurre auch ein gewisses Desinteresse seitens der katholischen Gemeinde. 1888 kritisiert er, „ […] daß sich keiner die Mühe gibt, um zu erfahren wie diese Sache steht?“, denn die Akten zur Kirchentrennung lägen immer noch beim Offizial in Vechta und nicht in der Gemeinde:

„Du als Gemeinde Vorsteher hättest Dich doch darum kümern [!] sollen, wenn dem Hochw. Herrn Fortmann nicht so viel daran gelegen ist, allein wie es mir scheint ist kein rechter Geist, u. kein rechter ernst [!] in der Gemeinde um von den Protestanten los zu kommen, wie es scheint fürchtet ein jeder wenn es zur Trennung kömmt kostet es Geld.“16

Diese vermeintliche Unlust erregte ihn, der immerhin bereit war, eine nicht geringe Menge Geld zu stiften, und er griff die ehemaligen Gemeindegenossen scharf an:

„‚Wenn es an den Geldbeutel geht, hört die Gemüthlichkeit auf.‘ Wo nur Geld zu holen ist ohne Schwierigkeit u. ohne Anstrengung da macht sich ein jeder auf Socken u. fürchtet daß er sonst zu spät komet [!], wenn er blechen soll, da hat es keine Eile.

Wenn wir hier in Amerika so Rückerisch wären, würden wir nie eine Kirche zu stande bringen, weil hier alles von freiwilligen Gaben herkommen muß, aber hier ist mehr leben [!] als wie bei Euch.

Ihr seid den alten Schlendrian gewohnt […] Wenn wir hier nichts zu zahlen hätten, d. h. für Hospitäler, Armen u. Waisen dann könnte man freilich mehr thun; alleine das Hemd ist näher als d. Rock u. ‚Charity begins at home‘ sagt das englische Sprichwort d. h. so viel als man soll erst zu Hause Allmosen austheilen, ehe man sich nach Auswärts wendet. […] Nun Knicker gibt es hier auch, u. zwingen kann man hier niemanden d. h. zu Wohlthätigen Zwecken was zu geben.

[…] Nun habe ich Euch so ziemlich die Leviten gelesen, u. hoffe bald einen anderen Brief zu bekommen, als daß die Ackten in der Vechta liegen!“

Doch in einem kurz darauf folgenden Brief klang die Sache schon wieder etwas anders: „Es scheint aber jetzt ernst zu werden mit d. Kirchentrennung.“17

Huesmann hatte ihm zuvor wohl die ersten Ergebnisse der Verhandlungen zugeschickt, mit denen sich der Gönner aus Amerika jedoch nicht ganz einverstanden erklärte.

Er kritisierte zum Beispiel die 1500 Mark für den Reparaturfonds und die „Fuhren für Baumaterial zur Baustätte“, für die die gesamte Gemeinde aufkommen sollte:

„Wie Du schreibst sollten die Fuhren von der Gemeinde beiderseits geleistet werden. Und Du wirst doch nicht glauben, daß ich den Lutherischen Bauern auch noch bezahlen würde für seine Arbeit zur eigenen Kirche? Und zur Vergrößerung ihres Kirchen Vermögens für spätere Reperaturen [!] ist ein unsinn, sie bekommen eine neue Kirche, und wenn die recht gebaut wird [Unterstreichung im Original, T. K.], so thun den meisten von den jetzt lebenden die Zähne nicht mehr wehe bis da Reperaturen [!] nothwendig sein werden.“

Zudem macht Nurre an dieser Stelle ebenfalls den Vorschlag, dass jede katholische Familie etwas Geld spenden solle – nämlich so viel, wie sie ihrem Kind als Aussteuer mitgeben würde, „denn die Kirche ist Gottes Haus, die Wohnung Gottes“. Dieses habe dann den Vorteil, dass die Reichen mehr geben würden als die Armen, weil jene auch mehr als Aussteuer geben könnten als diese. Diese Frühform der Verteilungsgerechtigkeit sollte schließlich zu „Geld im Ueberfluß“ führen und Nurre bemerkt auch: „[…] wenn einige mehr thun wollen für die Kirche als wie eins ihrer Kindern so wird es gewiß mit Freuden angenommen werden“, denn schließlich gebe er selber ja auch mehr für die Kirche als insgesamt für seine Kinder. Demnach war die Opferbereitschaft für die eigene Kirche zumindest bei dem Amerikaner eine Herzensangelegenheit, die er dann allerdings auch von seinen früheren Gemeindegenossen verlangte.

Obgleich Joseph Nurre die Katholiken ebenso in seine Kritik einbezog und immer wieder zwischendrin eine friedliche Trennung des Simultaneums einforderte, war er kein ökumenisch denkender Freund der evangelischen Kirche. Für ihn war die Trennung eine Notwendigkeit, um vernünftige katholische Gottesdienste zu zelebrieren. Einzig die katholische Konfession war die wahre. Dies zeigt auch folgender Kommentar Nurres vom März 1891: Bereits im Mai des Vorjahres berichtete er erstmals über den Tod seines Bruders Heinrich, der einige Wochen zuvor erdrosselt aufgefunden wurde.18 In den folgenden Briefen wurde ersichtlich, dass man trotz einer ausgesetzten Belohnung von 2500 Dollar den Mörder nicht finden würde. Und so äußerte er wenigstens die Hoffnung, dass der Mörder irgendwann auf dem Sterbebette ein Geständnis ablegen würde, aber auch nur, „wenn es ein Katholik gethan hätte“19, d. h., einem Angehörigen einer anderen Konfession traute er diese Form von Reue nicht zu.

 

Literaturhinweise

Literaturhinweise

1 VZ Nr. 102, 22. Dezember 1885, in der Rubrik „Locales und Provinzielles“.

2 VZ Nr. 47, 14. Juni 1887, in der Rubrik „Locales und Provinzielles“.

3 Es hatte z. B. wiederholt Streit um die Installation einer Ewigen Lampe gegeben.

4 EPAN Best. Nr. 70: Pfarrer Bultmann an den Oberkirchenrat, 6. Juni 1887.

5 EPAN Best. Nr. 70: Pfarrer Bultmann an den Oberkirchenrat, 6. Juni 1887.

6 OAV Best. B-41-C-1: Protokoll über die Schlussverhandlung, 7. Dezember 1888 (Kopie).

7 OAV Best. B-41-C-1: Kirchenvorstand an das Offizialat, 8. Dezember 1888.

8 OAV Best. B-41-C-1: Anlage zum Protokoll über die Schlussverhandlung, 7. Dezember 1888 (Kopie), dort auch die folgenden Zitate.

9 Die genaue Auflistung des Vermögens hängt der Übereinkunft als Anlage an.

 

10 VZ Nr. 31, 16. April 1889, in der Rubrik „Locales und Provinzielles“.

11 Die Einweihung der neuen lutherischen Kirche, in: KB Nr. 15, 17. Juli 1891, S. 58-60.

12 KPAN Akte Nurre.

13 KPAN Akte Nurre: J. Nurre an J. Huesmann, 16. November 1887, dort auch das folgende Zitat.

14 KPAN Akte Nurre: J. Nurre an J. Huesmann,  30. Mai 1891.

15 KPAN Akte Nurre: J. Nurre an J. Huesmann, 24. Februar 1887.

16 KPAN Akte Nurre: J. Nurre an J. Huesmann, 4. Oktober 1888, dort auch das folgende Zitat.

17 KPAN Akte Nurre: J. Nurre an J. Huesmann, 14. November 1888, dort auch die folgenden Zitate.

18 KPAN Akte Nurre: J. Nurre an J. Huesmann, 3. Mai 1890. 

19 KPAN Akte Nurre: J. Nurre an J. Huesmann, 12. März 1891.

 

VZ = Vechtaer Zeitung

EPAN = Evangelisches Pfarrarchiv Neuenkirchen

KPAN = Katholisches Pfarrarchiv Neuenkirchen

OAV = Offizialatsarchiv Vechta

KB = Kirchliche Beiträge für die Evangelisch-Lutherische Kirche des Herzogthums Oldenburg.

 

Das Katholische Pfarrarchiv mit den Nurre-Briefen ist mittlerweile im Offizialatsarchiv Vechta untergebracht.

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